Caesium und Tschernobyl
In der Natur kommt ausschließlich das stabile Isotop 133Cs vor. Seit der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl 1986 ist weiten Teilen der Bevölkerung das Element Caesium allerdings in Form des radioaktiven Spaltprodukts 137Cs bekannt geworden, das in großem Maße in die Umwelt gelangte. Das Isotop hat eine Halbwertszeit von 30,17 Jahren und ist, da Caesium gut wasserlöslich ist, vor allem über Pilze und Pflanzen aus dem Boden in die Nahrungskette gelangt und noch heute für einen großen Anteil der Hintergrund-Radioaktivität verantwortlich. Physiologisch besitzt das seltene Metall keine Relevanz. Im Körper verhält es sich ähnlich zu Kalium und kann dieses ersetzen. Damit ist es, wenn es inkorporiert wird, zwar an essenziellen physiologischen Prozessen beteiligt, wird aber auch recht schnell wieder ausgeschieden.
Caesium und seine Anwendungen
Die Anwendungen des teuren Metalls sind limitiert. Es lässt sich in den allermeisten Fällen (Reduktionsmittel, Kühlmedium, ...) durch billigere Alkalimetalle ersetzen. Größere Mengen von Caesiumchlorid sind als Bohrschmiermitteln bei der Ölförderung im Einsatz, ansonsten werden geringe Mengen als Gettermetall in Vakuumröhren, als Ultrazentrifugen-Medium oder in Tarnnebelmunition verwendet. Für die berühmteste Anwendung in der Caesium-Atomuhr reichen einige wenige Atome. 137Cs hat als Tracer-Element in der Geophysik und in der Strahlentherapie ein Nischendasein gefunden, auch einige thermoionische Batterien und Lebensmittel-Bestrahlungsanlagen basieren auf diesem Isotop. Die Bindungsenergie des 6s-Elektrons in Caesium ist so gering, dass Infrarotlicht von 910 nm zur Erzeugung des photoelektrischen Effekts bereits ausreicht.[5] Noch geringer sind die Austrittsarbeiten bei den metallreichen Sauerstoffverbindungen, den Suboxiden des Caesiums. Und diese sind für Caesium einzigartig. Daher besaßen die ersten Nachtsichtgeräte als Fotokathoden eine Silberschicht, die so dünn ist, dass sie blau durchscheint. Diese wurde mit Caesium und Caesiumoxid beschichtet, was die Bildung von Caesium-Suboxiden zur Folge hatte. Moderne Restlichtverstärker verwenden Halbleitermaterialien, Caesium wurde aus diesem Bereich vollständig verdrängt.
Caesium – der hohe Preis und der Schmuggel
Der hohe Preis von Caesium ist ein Hinderungsgrund für viele Chemiker, dieses Element in Synthesen in größerem Maße zu verwenden. Aktuell befindet sich der Preis für Caesium mit im Mittel ca. 40 Euro pro Gramm auf dem Niveau des Goldpreises (28.06.2016: 38,10 Euro pro Gramm), wobei größere Mengen deutlich geringere Preise zeigen als Kleinmengen. Der tatsächliche Preis ist stärker von der Ampullengröße abhängig als von der Reinheit. Wer möchte, kann sogar isotopenreines 133Cs für 1.000 Euro pro Gramm erwerben, was besonders interessant ist, wenn man bedenkt, dass natürliches Caesium von Hause aus isotopenrein ist. Am einfachsten ist es allerdings, sich Caesium vom Zoll oder der Kriminalpolizei günstig zu erwerben. Es findet nämlich seit geraumer Zeit ein konstanter Schmuggel von hervorragend präpariertem Material aus Osteuropa und Russland statt. Das Material wurde in den 1970er- und 1980er-Jahren hergestellt, wohl im Zusammenhang mit sowjetischen Projekten zu magnetohydrodynamischen (MHD) Generatoren. In diesen wird ein Plasma zwischen zwei leitenden Elektroden hindurchgeschossen. Senkrecht zu den Elektroden wird ein Magnetfeld angelegt, das die unterschiedlich geladenen Ionen räumlich trennt. Durch die entstehende Spannungsdifferenz kann also direkt kinetische Energie in elektrische Energie umgewandelt werden. Der erste MHD-Generator mit 11,5 kW wurde 1959 in den USA gebaut, ein MHD-Pilotkraftwerk mit 25 MW Leistung ging 1971 in der Sowjetunion in Betrieb, für 1985 wurde ein 500-MW-Kraftwerk in Rjasan projektiert, weitere Großkraftwerke sollten flächendeckend folgen. Die ersten Anlagen nutzten die heißen Verbrennungsgase konventioneller Kraftwerke als Betriebsplasma, aber in sogenannten geschlossenen MHD-Generatoren könnte ein Plasmakreislauf eingesetzt werden.[6] Caesium eignet sich ideal als Betriebsmedium: Es ist leicht ionisierbar, hat bei moderaten Temperaturen bereits einen hohen Dampfdruck und transportiert aufgrund seines hohen Atomgewichts viel kinetische Energie. Zudem ist in gasförmigem Caesium die Brechzahl < 1, was für die Plasmadynamik von Vorteil ist. Die Großprojekte wurden im Zuge des Zusammenbruchs des Ostblocks aufgegeben, das bereitstehende Caesium wurde arbeitslos und trat schließlich seinen Weg gen Westen an. Entweder wird das Caesium direkt beim Transport an den innereuropäischen Grenzen beschlagnahmt, oder es wird in „Bunkerfunden“ sichergestellt.[7] Es ist wenig überraschend, dass die verantwortlichen Behörden nach kurzem Studium der einschlägigen Stoffdaten und Sicherheitsdatenblätter im Allgemeinen froh darüber sind, fachkundige Abnehmer für die häufig mehreren Kilogramm Caesium zu finden. Eine Reihe deutscher Forschergruppen ist daher dem organisierten Schmuggel für die so beständige und selbstlose Unterstützung ihrer Arbeiten in Dank verbunden.