Ebenfalls mit dem Nobelpreis (1996 für Chemie) wurden Curl, Kroto und Smalley ausgezeichnet, die die Fullerene entdeckten, eine weitere Modifikation des Kohlenstoffs, die sp2-hybridisierte Kohlenstoffatome enthält. Auch hier liegen C6-Ringe vor. Durch den zusätzlichen Einbau von C5-Ringen kommt es aber zu einer schalenartigen Wölbung, die in den Fullerenen zu geschlossenen Hohlkörpern führt. Am bekanntesten und symmetrischsten ist das C60-Molekül (Abb. 1), das aus 12 Fünfecken und 20 Sechsecken aufgebaut ist. Diese Struktur erinnert an alte Fußbälle. Fullerene wurden im Weltall nachgewiesen und spielen z. B. als Elektronen-Akzeptor eine große Rolle in der Materialwissenschaft.
Nimmt man eine einzelne (monolagige) Schicht des Graphens und rollt sie auf, dann gelangt man zu den Kohlenstoffnanoröhren (Abb. 1). Diese können gezielt ein- oder mehrwandig, an den Enden offen oder geschlossen hergestellt werden, wobei die Endkappen „halbe“ Fullerenmoleküle sind. Durch Verzerrung der Röhrenstruktur können die elektrischen Eigenschaften gezielt beeinflusst werden. Es ist deshalb nicht überraschend, dass das Interesse an Kohlenstoffnanoröhren in der Materialwissenschaft ebenso groß ist wie an den Fullerenen und am Graphen.
Doch bei aller Begeisterung über die „neuen“ Kohlenstoff-Modifikationen, die größte Faszination geht sicher immer noch vom Diamant aus. Hier liegen im Gegensatz zu den oben genannten Modifikationen Kohlenstoffatome sp3-hybridisiert und somit tetraedrisch koordiniert vor (Abb. 1). Es bildet sich eine dreidimensionale Festkörperstruktur von enormer Härte, wobei aber die C–C-Bindungen im Diamant bemerkenswerterweise schwächer sind als innerhalb der Graphitschichten. Diamanten werden von der Natur in vielen Millionen Jahren synthetisiert, wobei ihre wahre Schönheit aber erst zum Vorschein kommt, wenn sie durch einen geeigneten Schliff zum Brillanten werden. Aufgrund der enormen Härte gab es ein großes Interesse, sogenannte Industriediamanten im chemischen Labor herzustellen. Dies gelang erstmalig 1953. Im Prinzip benötigt man hohe Drücke und hohe Temperaturen, um in den Bereich des Phasendiagramms des Kohlenstoffs zu gelangen, wo Diamant thermodynamisch stabil ist und nicht mehr, wie bei Normalbedingungen, Graphit. Dies gelingt in hydraulischen Hochdruckpressen, wobei meist ein Katalysator zugesetzt wird, um den Reaktionsdruck und die Reaktionstemperatur zu senken. Diese Katalysatoren verfärben aber den Diamanten und bilden Inklusionen, weshalb die auf diesem Weg dargestellten Diamanten nicht als Schmuckdiamanten geeignet waren. Hier hat es aber in den letzten Jahren viele Verbesserungen gegeben, so dass mittlerweile auch Schmuckdiamanten von hervorragender Qualität künstlich hergestellt werden können.
Da Kohlenstoff neben der sp3- und sp2-Hybridisierung auch eine sp-Hybridisierung aufweisen kann, liegt es nahe, eine weitere Kohlenstoff-Modifikation mit eben sp-hybridisierten Kohlenstoffatomen zu vermuten. In der Tat „geistert“ das sogenannte Carbin (auch: Karbin) schon seit langer Zeit durch die wissenschaftliche Literatur. Hier müssten Kohlenstoff-Ketten vorliegen, die sich gegebenenfalls nach vielen hundert Kohlenstoffatomen zu Ringen schließen, da die Kohlenstoffketten wahrscheinlich nicht exakt linear sind, wie Untersuchungen an molekularen Bruchstücken von z. B. Gladysz und Mitarbeitern ergeben haben.[1] Doch die Nachweise dieser Kohlenstoff-Modifikation sind nicht sehr zuverlässig, so dass man hier am besten den Nobelpreisträger R. Hoffmann zitieren sollte: „Though there has been much work on karbin, our opinion is that it remains a tantalizing mystery.“[2]
Es ist eine spannende Frage, ob nicht auch andere Kohlenstoff-Modifikationen (auch Allotrope genannt) darstellbar sein könnten, die Kohlenstoffatome in unterschiedlichen Hybridisierungszuständen enthalten. So wäre z. B. ein „Superdiamant“ denkbar, in dem sp3-hybridisierte Kohlenstoffatome tetraedrisch durch Hanteln mit einer C-C-Dreifachbindung und sp-hybridisierten Kohlenstoffatomen verbrückt würden. Eine mögliche Struktur eines solchen Allotrops ist in Abb. 2 (links) gezeigt. Aber auch „Supergraphit-artige“ Schichten aus sp- und sp2-hybridisierten Kohlenstoffatomen sind denkbar (Abb. 2 (rechts)). Darstellen konnte solche Allotrope noch niemand, aber auf den Computern der Theoretiker sind diese und andere sehr wohl schon entstanden.[2,3] Einen interessanten Ansatz verfolgen dabei Diederich und Mitarbeiter: Sie stellen molekulare Baueinheiten her, die als Bruchstücke des gezeigten Superdiamanten und Supergraphits aufgefasst werden können.[4] Dennoch ist es bislang nicht gelungen, diese Baueinheiten zu einem wirklichen Kohlenstoff-Allotrop zu vernetzen.